Kemalismus
Mustafa Kemal Atatürk
Der Kemalismus (türkisch: Kemalizm oder Atatürkçülük) bezeichnet die Gesamtheit der Ideen und Prinzipien Mustafa Kemal Atatürks.
Versinnbildlicht wird diese durch die so genannten sechs Pfeile (Altı Ok), die für Republikanismus im Sinne von Volkssouveränität, Nationalismus als Wendung gegen den Vielvölkerstaat des osmanischen Zuschnitts, Populismus als Ausdruck einer auf die Interessen des Volkes, nicht einer Klasse gerichteten Politik, Revolutionismus im Sinne einer stetigen Fortführung von Reformen, Laizismus, d.h. Trennung von Staat und Religion, und Etatismus mit partieller staatlicher Wirtschaftslenkung stehen.
Die sechs Pfeile des Kemalismus
Nationalismus
Atatürks Ziel war es, aus dem Vielvölkerstaat des Osmanischen Reiches einen Nationalstaat zu formen. Der Nationalismus (milliyetçilik) diente diesem Zweck. Grundlage des Nationalgefühls war eine gemeinsame Sprache und die gemeinsame Geschichte der Bewohner des Landes. Jeder Bürger, der sich als Türke bezeichnete, wurde als solcher akzeptiert. Der Nationalismus Mustafa Kemals basierte nicht auf dem Begriff der Rasse. Atatürks Nationalismus erteilte dem Turanismus ebenso eine Absage wie dem Panislamismus. Seinen Ausdruck findet der Nationalismus in dem Ausspruch Atatürks: „ Froh sei derjenige, der sagt: Ich bin ein Türke.“ Das Wort "Türke" ist ein Sammelbegriff für das ganze Volk. Die Bedeutung ist nicht auf die türkische Ethnie bezogen.
Populismus
Mit Populismus (halkçılık) ist bei Atatürk nicht der Populismus im heute gebräuchlichen Sinne gemeint, sondern das Konzept einer klassenübergreifenden gesellschaftlichen Kooperation. Dies äußerte sich insbesondere in der Adaption des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Beeinflusst wurde dieser Populismus durch die solidarischen Konzepte von Emile Durkheim und Léon Victor Bourgeois. Der Populismus sollte dazu beitragen, das Volk für den Aufbau eines modernen Staates zu mobilisieren. Seinen Ausdruck fand er unter anderem in der rechtlichen Gleichstellung der Frau. Später diente der Grundsatz zur Rechtfertigung des Ein-Parteien-Systems: Das Volk wird durch die Partei repräsentiert.
Republikanismus
Republikanismus (cumhuriyetçilik) bedeutete, dass die junge Türkei eine republikanische Staatsform (vgl. Art. 1 der Verfassung) erhielt. Kalifat und Millet-System wurden abgeschafft.
Laizismus
Laizismus (laiklik) bedeutete in der Türkei die Trennung von Religion und Politik und die Säkularisierung der gesamten Gesellschaft. Damit wurde die Religion Privatsache und der Einfluss religiöser Würdenträger beschränkt. Folgende Reformen hängen mit dem Prinzip des Laizismus zusammen: Abschaffung des Kalifats, Schließung der islamischen Schulen, Verbot der Polygamie, Aufhebung des islamischen Rechts, Kopftuchverbot, Einführung westlicher Kleidung, des lateinischen Alphabets und des gregorianischen Kalenders und das Verbot religiöser Parteien. Für religiöse Fragen wurde eine staatliche Religionsbehörde geschaffen: das Präsidium für religiöse Angelegenheiten.
Etatismus
Der Etatismus ( Devletcilik) meint das Eingreifen des türkischen Staates in die Wirtschaft. Grund waren die fehlende Infrastruktur und mangelnde Industrialisierung. Zwischen 1933 und 1938 wurde der Fünfjahres-Industrieplan realisiert. Der Staat wurde überall dort unternehmerisch tätig, wo privatwirtschaftliches Engagement fehlte.
Revolutionismus
Revolutionismus (ursprünglich inklâpçılık, heute devrimcilik) bezeichnet den Grundsatz, die Umgestaltung der türkischen Gesellschaft auch nach den großen Reformen der 1920er Jahren voranzutreiben. Ferner zielt der Terminus auf die umfassende Modernisierung des Staates. Die traditionellen osmanischen Institutionen wurden durch zeitgemäße Einrichtungen ersetzt
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